Moto Guzzi V100 Mandello
Verfasst: Fr 26. Mai 2023, 22:11
Hallo zusammen,
mit der Moto Guzzi V100 Mandello S habe ich mir eine der interessantesten Neuerscheinungen des Jahres kürzlich ausgeliehen. Da die Testberichte in den einschlägigen Magazinen nicht wirklich aussagekräftig waren, von dem Müll auf YouTube ganz zu schweigen, wollte ich mir selbst ein Bild machen. Die aktuelle MO mit dem Vergleich zwischen der V100 und der Duc Multistrada V2 habe ich extra eingepackt gelassen.
Bei BKM in Chemnitz, ein riesen Laden mit zig Marken, geht das recht problemlos. Denn eine kurze Probefahrt reicht im Normalfall nicht aus um die Maschine zu erfassen.
Die V100 ist komplett neu konstruiert und hat mit den alten Guzzi´s nichts mehr gemein. Bis auf die 90° V Anordnung der Zylinder und die längs liegende Kurbelwelle. Der bei Aprilia entwickelte Motor bietet 1042 cm³, 115PS und 105Nm. Das ganze Wasser gekühlt mit vier Ventilen pro Brennraum die per Schlepphebel betätigt werden. Ein moderner Motor dem man nur beim Starten und im Stop and Go Betrieb seine Bauart anmerkt. Wenn man im Fahrbetrieb nicht absichtlich Lastwechsel provoziert, läuft er geschmeidig. Fahrbar ab 2000 U/min, Wohlfühlbereich ab 3000 U/min. Über 80 km/h lässt sich alles im 6. Gang erledigen. Man kann den Motor ganz locker aus dem rechten Handgelenk fahren- er wirkt nie angestrengt. Mehr als 6000 U/min sind kaum notwendig um flott voran zu kommen. Ein optimaler Landstraßen Motor. Der auf den knapp 400km, die über Autobahn und meine Hausstrecken führten, 5.6 Liter/ 100km verbraucht hat. Das Getriebe ist passend übersetzt- im letzten Gang stehen bei 130 km/h knapp über 5000 U/min auf dem Drehzahlmesser. Die Schaltbox an sich ist ein echter Schwachpunkt. Hochschalten geht. Aber beim runter schalten sind die Bedienkräfte schlicht zu hoch. Zudem versteckt sich der Leerlauf manchmal hartnäckig. Die „S“ hat serienmäßig einen Schaltassistenten mit Blipper Funktion. Runter geht so gut wie gar nicht. Hoch nur ganz selten ruck frei. Ich habe sie mit Kupplung geschalten- ging am besten.
Der drei geteilte Motor (Kurbelgehäuse- Getriebe- Kupplung) steckt in einem Stahlrohrahmen. Die Kardan- Schwinge ist unten im Kupplungsdeckel gelagert und oben stützt sich das direkt an gelenkte Federbein am Rahmen ab. In der von mir gefahrenen „S“ Version steckt ein semiaktives Öhlins Fahrwerk. Voreingestellt sind vier Modi: A (automtisch) 1: bockhart A 2: hart. Hier regelt das Fahrwerk selbständig die Dämpfung in Abhängigkeit der Einflüsse nach. Dann gibt es noch M (manuell) 1: bockhart. M2: hart. Hier ist die Dämpfung statisch. Ich bin Buckelpisten extra einmal mit automatischen und dann mit manuellem Fahrwerk gefahren. Ich konnte beim besten Willen keinen Unterschied feststellen. Das mag auf glatten Pisten funktionieren, auf schlechten Straßen war es immer unwürdig.
Erst nachdem mir die 200 seitige (!) Betriebsanleitung den Zugang zu den Untermenüs offenbarte, fand ich wonach ich suchte. Es lassen sich alle vier Modi manuell konfigurieren. Man dreht digital an den Dämpfungsschrauben. Dann noch die Federvorspannung vorn wie hinten manuell anpassen und siehe da: ein sämig, saugendes Fahrgefühl stellt sich ein. Etwas trampelig bleibt es hinten jedoch immer. Wird am Kardan liegen der sonst völlig unauffällig seinen Dienst verrichtet. Ungewohnt für den MZ 1000 Fahrer ist der niedrige Schwerpunkt in Verbindung mit dem breiten 190er Schlappen. Es braucht bereits bei moderaten Geschwindigkeiten recht viel Schräglage. Macht aber nix weil die Fußrasten genug Luft vorm Aufsetzen haben. Aufgezogen waren Pirelli Angel GT 2- ein steifer Pneu mit wenig Eigendämpfung der nicht so recht zur Maschine passt. Insgesamt liegt die Guzzi stabil und folgt willig der gewollten Linie. Bremst im Ernstfall als würde man einen Schirm öffnen. Das ABS regelt dabei unauffällig.
Serienmäßig bietet die V100 eine elektrisch verstellbare Scheibe sowie „Flaps“ genannte Klappen die, je nach Modus, ausfahren und mehr Windschutz bieten- wenn man dran glaubt. Die Scheibe produziert in der oberen Stellung Wirbel und Krach. Also blieb sie unten. Wo der Windschutz dann mit dem der MZ 1000 vergleichbar ist. Ebenso serienmäßig sind ein Tempomat sowie dreistufige Heizgriffe. Beides nützliche und funktionelle Ausstattungsdetails. Früh auf dem Weg zur Arbeit bei 0° eine willkommene Annehmlichkeit. Die Ergonomie ist top. Auch für den Sozius. Der Sitz ist straff und der Kniewinkel nicht zu eng. Im Zubehör finden sich höhere und niedrigere Sitze. Die Verarbeitung ist gut. Allerdings nicht auf dem Niveau wie zum Beispiel bei Triumph.
Man hält es lang und gern aus auf der V100 Mandello. 20 Jahre Motorradentwicklung spürt man schon. Obwohl mir die ganze Elektronik fast zu viel ist. Im Grunde wird man das nach dem Kauf einmal einstellen und dann in den seltensten Fällen zig mal während einer Tour nachjustieren. Wie lange die vielen Sensoren problemlos ihren Dienst verrichten steht in den italienischen Sternen.
Alles in allem ein faszinierendes Motorrad mit Gänsehaut Sound!
Gruß René
mit der Moto Guzzi V100 Mandello S habe ich mir eine der interessantesten Neuerscheinungen des Jahres kürzlich ausgeliehen. Da die Testberichte in den einschlägigen Magazinen nicht wirklich aussagekräftig waren, von dem Müll auf YouTube ganz zu schweigen, wollte ich mir selbst ein Bild machen. Die aktuelle MO mit dem Vergleich zwischen der V100 und der Duc Multistrada V2 habe ich extra eingepackt gelassen.
Bei BKM in Chemnitz, ein riesen Laden mit zig Marken, geht das recht problemlos. Denn eine kurze Probefahrt reicht im Normalfall nicht aus um die Maschine zu erfassen.
Die V100 ist komplett neu konstruiert und hat mit den alten Guzzi´s nichts mehr gemein. Bis auf die 90° V Anordnung der Zylinder und die längs liegende Kurbelwelle. Der bei Aprilia entwickelte Motor bietet 1042 cm³, 115PS und 105Nm. Das ganze Wasser gekühlt mit vier Ventilen pro Brennraum die per Schlepphebel betätigt werden. Ein moderner Motor dem man nur beim Starten und im Stop and Go Betrieb seine Bauart anmerkt. Wenn man im Fahrbetrieb nicht absichtlich Lastwechsel provoziert, läuft er geschmeidig. Fahrbar ab 2000 U/min, Wohlfühlbereich ab 3000 U/min. Über 80 km/h lässt sich alles im 6. Gang erledigen. Man kann den Motor ganz locker aus dem rechten Handgelenk fahren- er wirkt nie angestrengt. Mehr als 6000 U/min sind kaum notwendig um flott voran zu kommen. Ein optimaler Landstraßen Motor. Der auf den knapp 400km, die über Autobahn und meine Hausstrecken führten, 5.6 Liter/ 100km verbraucht hat. Das Getriebe ist passend übersetzt- im letzten Gang stehen bei 130 km/h knapp über 5000 U/min auf dem Drehzahlmesser. Die Schaltbox an sich ist ein echter Schwachpunkt. Hochschalten geht. Aber beim runter schalten sind die Bedienkräfte schlicht zu hoch. Zudem versteckt sich der Leerlauf manchmal hartnäckig. Die „S“ hat serienmäßig einen Schaltassistenten mit Blipper Funktion. Runter geht so gut wie gar nicht. Hoch nur ganz selten ruck frei. Ich habe sie mit Kupplung geschalten- ging am besten.
Der drei geteilte Motor (Kurbelgehäuse- Getriebe- Kupplung) steckt in einem Stahlrohrahmen. Die Kardan- Schwinge ist unten im Kupplungsdeckel gelagert und oben stützt sich das direkt an gelenkte Federbein am Rahmen ab. In der von mir gefahrenen „S“ Version steckt ein semiaktives Öhlins Fahrwerk. Voreingestellt sind vier Modi: A (automtisch) 1: bockhart A 2: hart. Hier regelt das Fahrwerk selbständig die Dämpfung in Abhängigkeit der Einflüsse nach. Dann gibt es noch M (manuell) 1: bockhart. M2: hart. Hier ist die Dämpfung statisch. Ich bin Buckelpisten extra einmal mit automatischen und dann mit manuellem Fahrwerk gefahren. Ich konnte beim besten Willen keinen Unterschied feststellen. Das mag auf glatten Pisten funktionieren, auf schlechten Straßen war es immer unwürdig.
Erst nachdem mir die 200 seitige (!) Betriebsanleitung den Zugang zu den Untermenüs offenbarte, fand ich wonach ich suchte. Es lassen sich alle vier Modi manuell konfigurieren. Man dreht digital an den Dämpfungsschrauben. Dann noch die Federvorspannung vorn wie hinten manuell anpassen und siehe da: ein sämig, saugendes Fahrgefühl stellt sich ein. Etwas trampelig bleibt es hinten jedoch immer. Wird am Kardan liegen der sonst völlig unauffällig seinen Dienst verrichtet. Ungewohnt für den MZ 1000 Fahrer ist der niedrige Schwerpunkt in Verbindung mit dem breiten 190er Schlappen. Es braucht bereits bei moderaten Geschwindigkeiten recht viel Schräglage. Macht aber nix weil die Fußrasten genug Luft vorm Aufsetzen haben. Aufgezogen waren Pirelli Angel GT 2- ein steifer Pneu mit wenig Eigendämpfung der nicht so recht zur Maschine passt. Insgesamt liegt die Guzzi stabil und folgt willig der gewollten Linie. Bremst im Ernstfall als würde man einen Schirm öffnen. Das ABS regelt dabei unauffällig.
Serienmäßig bietet die V100 eine elektrisch verstellbare Scheibe sowie „Flaps“ genannte Klappen die, je nach Modus, ausfahren und mehr Windschutz bieten- wenn man dran glaubt. Die Scheibe produziert in der oberen Stellung Wirbel und Krach. Also blieb sie unten. Wo der Windschutz dann mit dem der MZ 1000 vergleichbar ist. Ebenso serienmäßig sind ein Tempomat sowie dreistufige Heizgriffe. Beides nützliche und funktionelle Ausstattungsdetails. Früh auf dem Weg zur Arbeit bei 0° eine willkommene Annehmlichkeit. Die Ergonomie ist top. Auch für den Sozius. Der Sitz ist straff und der Kniewinkel nicht zu eng. Im Zubehör finden sich höhere und niedrigere Sitze. Die Verarbeitung ist gut. Allerdings nicht auf dem Niveau wie zum Beispiel bei Triumph.
Man hält es lang und gern aus auf der V100 Mandello. 20 Jahre Motorradentwicklung spürt man schon. Obwohl mir die ganze Elektronik fast zu viel ist. Im Grunde wird man das nach dem Kauf einmal einstellen und dann in den seltensten Fällen zig mal während einer Tour nachjustieren. Wie lange die vielen Sensoren problemlos ihren Dienst verrichten steht in den italienischen Sternen.
Alles in allem ein faszinierendes Motorrad mit Gänsehaut Sound!
Gruß René