Re: Fahrwerk einstellen: Tipps und Hilfe

Heckhöherlegung, Federn, Geometrie uvm.
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PLVI4
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Re: Fahrwerk einstellen: Tipps und Hilfe

Beitrag von PLVI4 »

Hallo zusammen,

ich werde im Folgenden versuchen eine grobe Richtlinie zur Fahrwerkseinstellung zu geben.
Da doch immer wieder Fragen dazu auftauchen und meine Erfahrungen mit verschiedenen 1000er MZ gezeigt haben, dass die Werkseinstellung nur sehr bedingt passt, scheint mir das notwendig. Die angegebenen Werte beziehen sich ausschließlich auf Landstraßenbetrieb. Ihr solltet zu zweit sein. Der Fahrer und ein Helfer zum Messen. Motorrad warm fahren. D.h. rund 20 km auf möglichst schlechter Straße, dass die Federelemente auf Betriebstemperatur kommen. Luftdruck und Reifenzustand sind erst mal von untergeordneter Bedeutung. Ich gehe aber davon aus, dass wer sein Fahrwerk ordentlich einstellen will, weder an Luft noch an Gummi spart. Auch sollten alle Lagerstellen kontrolliert werden. Belastet die Maschine so, wie es der Normalfall ist. Wer also ständig mit Koffern fährt, sollte diese auch für die Einstellung montiert haben. Ein Tankrucksack, sofern nicht mit 10kg beladen, stört die Balance nicht nachhaltig. Muss also nicht zwingend drauf. Packtaschen, Textilkleidung, Reifen sowie Sitzposition haben bei einer serienmäßigen 1000er MZ mit korrekt eingestelltem Fahrwerk kaum Einfluss auf die Stabilität!

Zur Geometrie der MZ 1000:

Ab Werk gab es drei verschiedene Sitzhöhen. Realisiert hinten mittels zwei verschiedener Federbeinaufnahmen. Vorn mit unterschiedlichen Gabelüberständen.
Zudem wurde für alle Modelle eine Tieferlegung angeboten. Deren Sitzhöhe von 795 mm war durch ein anderes Federbein mit kürzerer Feder realisiert. Die Gabel wurde dort nochmals ein Stück weiter durchgesteckt.

Entwickelt wurde das Fahrwerk der MZ 1000 im Modell „S“ mit 825 mm Sitzhöhe.

Die meisten „SF“ wurden mit einer Sitzhöhe von 810 mm ausgeliefert. Auch die ab dem Modelljahr 2005 gebauten „S“ hatten diese, verringerte, Sitzhöhe. Bei diesen Modellen wurde die Gabel geringfügig mehr durchgeschoben. Hinten kam eine andere Federbeinaufnahme zum Einsatz. Die Federbeine selbst blieben dabei unangetastet.

Bei den wenigen gebauten „ST“ beträgt der Gabelüberstand nur 5- 7 mm, weil dort 3 cm kürzere Standrohre zum Einsatz kamen, um die Geometrie des Fahrwerkes nicht negativ zu beeinflussen. Nachfolgend eine kleine Übersicht:

tabelle.png
Ölempfehlung für jedes Modell: Viskosität von rund 24 mm²/s bei 40°C.

Bewährt hat sich Liqui Moly Fork Oil 7.5W light/ medium mit 22 mm²/s.

Alternativ sind verwendbar:

Silikone Racing Fork Oil 5W mit 22.3 mm²/s.
Silikone Racing RSF 5W mit 26.7 mm²/s.
Putoline Formula GP 5 mit 25 mm²/s.
Putoline HPX 5 mit 22.5 mm²/s.
Motorex Racing Fork Oil 5W mit 22.9 mm²/s.

Ob teil- oder vollsynthetisch ist dabei völlig unerheblich.
Gabelüberstand messen.
Gabelüberstand messen.

1. Schritt: Einstellung des Negativ Federwegs/ Maschine an Belastung anpassen

Als Faustregel gilt: die Feder muss im Normalbetrieb vorn rund 30- 35% „einsinken“.
Hinten 25- 30%. Jeweils mit Fahrer in voller Montur.
Die 120 mm ergeben sich vorn aus der sichtbaren Länge des Tauchrohres im voll ausgefederten Zustand.

Ergibt vorn: rund 36- 42 mm und hinten: 30- 36 mm.

Im Handbuch nicht angegeben! Die Federbasis der Gabel lässt sich mit einem 22er Schlüssel verstellen. Bei der SF ist es günstig dazu den Lenker zu demontieren. Dann gegen den Uhrzeigersinn die Federvorspannung ganz heraus nehmen. Bis Anschlag drehen. Aufsitzen- messen. 120mm minus den nun gemessenen Wert ergibt den Negativ Federweg.
Vorspannungschraube vorn.
Vorspannungschraube vorn.
Negativ_vorn.jpg
Bei leichten Fahren (60kg) ist es jetzt meist schon passend. Ansonsten soweit im Uhrzeigersinn erhöhen bis die Gabel nur noch innerhalb der oben angegebenen Grenzen einsinkt (36- 42 mm). Zum Schluss noch einen Kabelbinder um das Tauchrohr zur Kontrolle. Dazu später mehr. Natürlich immer an beiden Gabelholmen gleiche Einstellungen vornehmen!

Hinten:

Hier ist es hilfreich, sich einen Punkt an der Heckverkleidung zu markieren. Über der Achse rund 15° nach vorn geneigt. Motorrad über Seitenständer kippen und ganz ausfedern. Maß zwischen Achse und markierten Punkt messen. Moped hinstellen und aufsitzen. Erneut messen. Differenz ergibt den Negativ Federweg. Auch hier muss die Maschine wieder um rund 30 mm einsinken. Sinkt die Maschine stärker ein: am großen schwarzen Rad im Uhrzeigersinn drehen. Bei weniger als 30 mm anders rum. Für leichte Fahrer können 15 Klicks von ganz weich in Richtung hart ausreichend sein. 90kg+ x rund 30Klicks.
Vorspannungsknauf hinten.
Vorspannungsknauf hinten.
Negativ_hinten.jpg


oder so:
Fit_negativ_hinten.JPG
2. Dämpfung

Vorn: Jede Gabel ist anders. Einstellungen, welche bei der einen Gabel als passend empfunden werden, können woanders bereits daneben liegen. Vorn befindet sich oben die Zugstufe. Mit Schraubendreher ganz schließen. Dann 1 bis 1.5 Umdrehungen, gegen den Uhrzeigersinn, wieder öffnen. Unten am Tauchrohr mit der Druckstufe genau so verfahren.
Zugstufenversteller vorn.
Zugstufenversteller vorn.
Druckstufenversteller vorn.
Druckstufenversteller vorn.
Das sind Richtwerte! Die endgültigen Werte muss jeder selbst erfahren!
Jetzt muss das Motorrad bei Druck auf den Tank vorn wie hinten gleichmäßig ein und aus federn. Passiert das nicht weiter:

Hinten:

Das goldene Rädchen ist die Zugstufe. Federt die Maschine hinten langsamer aus als vorn, dort gegen den Uhrzeigersinn so lange nachstellen, bis es synchron geschieht.
Federt die Maschine hinten deutlich langsamer ein, am kleinen schwarzen Rädchen der Druckstufe gegen den Uhrzeigersinn drehen bis es synchron geschieht.
Zugstufenversteller hinten.
Zugstufenversteller hinten.
Druckstufenversteller hinten.
Druckstufenversteller hinten.
3. Fahren

Jetzt fahren. Eine Strecke die ihr gut kennt. Macht eine Vollbremsung. Prägt Euch ein was die Maschine wo macht. Ist sie störrisch? Teilt sie Schläge aus? Wackelt oder pendelt etwas? Wo befindet sich der Kabelbinder am vorderen Tauchrohr? Liegt dieser nach der Fahrt ganz unten auf, ist die Federvorspannung zu gering. In Schritten von je einer Umdrehung Federvorspannung erhöhen. Wieder fahren.

Falls dann immer noch nicht alles i. O. ist, jemand konsultieren der sich auskennt und ggf. diesen oder diese fahren lassen. Wenn alles gut ist: Einstellungen notieren.

Für Zweipersonenbetrieb muss vorn nichts geändert werden. Hinten je nach Sozia Gewicht 5 bis 10 Klicks die Federvorspannung erhöhen.

Im Grunde ist das kinderleicht!


Gruß René
Zuletzt geändert von PLVI4 am Mi 1. Feb 2017, 17:30, insgesamt 12-mal geändert.
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